Prolog: Aufgefressen

Seemorgen

Ein junges Magazin und ein altes, aber nicht sehr breit besprochenes Thema. Hier ein Prolog dazu.

Fragen zu unserem Sein beschäftigen uns. Manche von uns suchen die Antworten bereits im Kindesalter. In dieser frühen Lebenszeit stellen wir diese Fragen der Welt noch unbeschwert und aus reinem und ungetrübtem Interesse heraus. Stellen wir sie uns erst später, geschieht dies oft nicht aus freiem Willen. Wenn wir uns schwer tun mit unserem Leben oder bereits unseren Lebensabend durchleben, werden wir von diesen existenziellen Fragen heimgesucht. Oftmals werden Antworten aus einer Enttäuschung heraus herbei ersehnt. In Extrema ob der Tatsache, dass man bereits kurz vor dem «Ende» steht und nicht alles so zustande kam, wie man es sich einst erdacht hatte. Wir neigen zur Verzweiflung und werden dadurch von unserem selbst erdachten Sein quasi aufgefressen.

Raum, Ding und Gedanke. Diese drei weit gefassten Begriffe prägen unser Leben und somit unseren Umgang mit und unser Verständnis von uns selbst, kurz: unser Sein. Wir befinden uns stets im Raum. Im Hausinnern wird er durch Wände und Dach begrenzt, durch Proportion geformt und durch Material ermöglicht. Vor dem Haus wird er zum Aussenraum, durch künstlich Geschaffenes und natürlich Gewachsenes begrenzt und definiert. Wir leben also stets mit und in ihm.

Dinge benutzen wir oder sie zuweilen uns. Vieles wird uns erleichtert durch sie. Aus der gewohnten Arbeit und den gewohnten Tagesabläufen sind sie kaum mehr wegzudenken, und ist ein Ding mal nicht praktisch, dann ist es wenigstens schön anzusehen und das erfreut uns. Mitunter entwickeln wir zu Dingen eine richtige Bindung, die meistens an Erlebtes geknüpft, stets als Ausdruck unseres vergangenen Seins besteht. Oder wir projizieren Hoffnungen in ein materialisiertes Objekt, um vielleicht unser zukünftiges Sein in eine gewünschte Richtung zu lenken. Was uns zum dritten Begriff der Reihe führt.

Gedanken. Sie treiben uns um. Manches Gedankenschloss wurde bereits ersonnen und ist wieder in sich zusammengestürzt. Dem buddhistischen Zazen zufolge sind sie der Anfang allen Übels. Wer sich dem Gedankenstrom seines Verstandes hingibt, ihm kein Paroli bietet und somit unbewusst erliegt, verlebt sein Dasein in unbewusster Zeit, ist nicht achtsam und führt somit kein Dasein, da Gedankliches niemals das Jetzt wiedergeben kann und somit stets von rein imaginärer Natur ist. Wird der Gedanke jedoch gefasst und unsere Geisteskraft bewusst eingesetzt, kann sie uns zu wahrhaft Grossem verhelfen. Solche ungetrübten Gedanken wollen wir hier erfassen.

In den folgenden Essays beabsichtigen wir nun also Räume, Dinge und Gedanken stets vor dem Hintergrund unseres Seins klarsichtig und mit Hilfe von Text und Bild zu ergründen.

Text: Christoph Ritler; Fotografie: Christoph Ritler

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